Das Kulturforum
Das Kulturforum erwuchs aus dem zunächst kontrapunktischen Ensemble der Philharmonie und der Neuen Nationalgalerie. Erst mit dem Wettbewerb zur Staatsbibliothek wurde die Gestaltung der weitgehend abgeräumten Brache des früheren Tiergartenviertels zum Thema. Er markierte stadtplanerisch den dritten Schritt, denn vor den ersten Gebäudeentwürfen war bereits die Verkehrsplanung erstellt worden. Die verlegte und neu formierte Potsdamer-Straße wurde in diesem Konzept zu einem Erlebnisraum der Mobilitäts-Utopie. Sie negierte die direkt hinter der Potsdamer Brücke beginnende „Potse“ als Hauptstraße West-Berlins und Überbleibsel der alten, chaotischen und durchmischten Großstadt. Der gesamte Außenraum des Kulturforums wurde zu einem nur im Akt des Durchfahrens erlebbaren Stadtraum. Die Solitäre, die wie im Viertel gelandete Raumschiffe wirken, sollten im sich bewegenden Blick im Wortsinne erfahren werden, bevor die Besucherinnen und Besucher ihre Autos in den Parkhäusern abstellten. Die Innenräume sind dagegen auf flanierendes Erkunden ausgerichtet. Sie sollten nun ermöglichen, was in der Vergangenheit die Stadt ausmachte. Das Denken in funktionellen Schubladen führte bei der Planung des Kulturforums zu dem unbefriedigenden Ergebnis eines als unvollendet wahrgenommenen monofunktionalen Stadtquartiers. Angesichts der Dominanz der Utopie der individuellen Mobilität in den 50er und 60er Jahren wäre wahrscheinlich keine andere Planung des Straßennetzes im Kulturforum möglich gewesen. So wurde das Kulturforum zur Krone einer Teil-Stadt, die Entlastung, Läuterung und Neubeginn durch die Kombination von Hochkultur und Straßenbau erhoffte – aus heutiger Sicht eine gescheiterte Utopie.
Die Stadtlandschaft von Hans Scharoun (1963)
„Was blieb, nachdem Bombenangriffe und Endkampf eine mechanische Auflockerung vollzogen, gibt uns die Möglichkeit, eine Stadtlandschaft zu gestalten. Die Stadtlandschaft ist für den Städtebauer ein Gestaltungsprinzip, um der Großsiedlungen Herr zu werden. Durch sie ist es möglich, Unüberschaubares, Maßstabloses in übersehbare und maßvolle Teile aufzugliedern und diese Teile so zueinander zu ordnen, wie Wald, Wiese, Berg und See in einer schönen Landschaft zusammenwirken.“ Diese 1946 vorgestellte Vision der Stadtlandschaft konkretisierte Hans Scharoun 1964 im Realisierungswettbewerb zur Staatsbibliothek. Sein Vergleich der Potsdamer Straße mit einem Flusstal, gesäumt von ansteigenden Weinbergen auf beiden Seiten (die Terrassen des geplanten Gästehauses und der ansteigende Baukörper der Staatsbibliothek) verwandelte das Kulturforum sprachlich in eine Idylle. Er camouflierte damit die städtebauliche Situation mit einer stark befahrenen Hauptstraße, die das Quartier durchschneidet.
Der Wettbewerb für die Staatlichen Museen 1965/66
Für die Neubauten der Museen der europäischen Kunst der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz fand 1965/66 ein zweistufiger Wettbewerb statt, in dem auf einen Ideenwettbewerb ein Bauwettbewerb folgte. In der ersten Stufe sollten die Entwürfe für die Neubauten Gemäldegalerie, Skulpturenabteilung, Kupferstichkabinett einerseits und Kunstgewerbemuseum und Kunstbibliothek andererseits, in einen architektonischen Zusammenhang gebracht werden. Neben ausstellungstechnischen Belangen galt es, auch die übernationale Bedeutung der Museumsabteilungen gestalterisch zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus war ein Vorschlag über Anordnung und Gestalt der Baumassen des nordöstlich der Matthäuskirche vorgesehenen Gästehauses und des eigentlichen „Forums“ (Platz nördlich der Matthäuskirche) zu erbringen. Aussagen zu den Verkehrsbeziehungen, insbesondere für den Autoverkehr, nahmen in der Auslobung breiten Raum ein.
Die komplexe Wettbewerbsaufgabe mit dem geforderten umfangreichen und beziehungsreichen Raumprogramm führte zur Einreichung zahlreicher futuristischer Cluster-Entwürfe. Der in der Organisation der Staatlichen Museen begründete Antagonismus eines zentral geleiteten Universalmuseums mit Abteilungen, die als selbständige Häuser begriffen werden wollen, konnte architektonisch nicht überzeugend umgesetzt werden. Die meisten Entwürfe entschieden sich gegen eine als bauliche Einheit wahrnehmbare Architektur, wie sie Scharoun mit der Staatsbibliothek realisiert hatte. Sie lösten die Unentschiedenheit zwischen einem Ganzen und seinen Teilen in zeittypische Megastrukturen auf. Das Preisgericht war von den Ergebnissen nicht überzeugt und vergab in der zweiten Wettbewerbsstufe im Sommer 1966 keinen ersten Preis.
Rolf Gutbrod
Rolf Gutbrod ist der gefallene Engel unter den Architekten, die am Kulturforum tätig waren. Sein Entwurf für die zweite Stufe des Wettbewerbs wurde 1966 angekauft. 1968 erhielt er den Planungsauftrag für die fünf Museen der europäischen Kunst. Die Erwartungen des Bauherrn waren hoch. Der Generaldirektor Stephan Waetzoldt schrieb 1972 nach einem mehrjährigen intensiven Austausch der Museumskuratoren mit dem Architekten: „Museumsarchitektur muss … zugleich maßgebend und zurückhaltend sein, sie muss Vergangenheit (im Kunstwerk) und Gegenwart (im Ich des Besuchers) erlebbar machen … sie soll Erlebnis und Besinnung, Diskussion und Meditation möglich machen, auf individuellen und Massenbesuch zugeschnitten sein. Museumsarchitektur soll Unvereinbares vereinigen …“ Gutbrod versuchte, die zahlreichen divergierenden Ansprüche in einem überaus differenzierten Entwurf zu berücksichtigen. Auf Initiative des Berliner Senatsbaudirektors wurde an das Kunstgewerbemuseum ein auf Stützen gestellter Flügel angefügt, der als Platzwand den Museumshof abschließen sollte. Er war zur Aufnahme eines großen Cafe und Restaurantbereichs vorgesehen, der auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich sein sollte. Das Bauvorhaben verlief für Gutbrod in der Folge nicht glücklich. Aus Geldmangel begannen die Bauarbeiten am ersten Bauabschnitt erst 1978. Bei der Eröffnung des Kunstgewerbemuseums 1985 wirkte der 1965 ultramoderne Brutalismus wie aus der Zeit gefallen. Dem Büro von Rolf Gutbrod wurde daraufhin die Bauleitung entzogen. Es kam zu Umplanungen und das Bauprogramm wurde nur teilweise realisiert. Nach der Wiedervereinigung blieben die Museumsbauten ein Torso. Folgenschwer für das ganze Viertel war der Verzicht auf den Gastronomietrakt.
Hans Hollein
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) fand 1983 ein “Internationales Gutachterverfahren Kulturforum” statt, zu dem sechs Architekturbüros Entwürfe einreichten. Das Ziel war die Erstellung eines städtebaulichen Konzepts für das Kulturforum unter Berücksichtigung der Planung von Hans Scharoun und der vorhandenen und geplanten Bebauung. In die engere Wahl kamen die Entwürfe von Alvaro Siza und Hans Hollein, der zur Realisierung ausgewählt wurde. Hollein entwickelte sein Konzept unter Berücksichtigung des zeitgleich entstandenen „Konzepts für die räumliche Ordnung im Zentralen Bereich von Berlin (West)“ bis zur Baureife weiter. Es sah eine durch viertelkreisförmig angeordnete Kolonnaden abgeschirmte, zweiteilige Platzanlage bis zur Potsdamer Straße vor. Begrenzt wurde der Platz durch ein City Kloster, einen Bibelturm und einen wasserführenden Kanal vor der Piazzetta. Hollein fand auf diese Weise eine städtebaulich elegante Lösung für die Vermittlung zwischen den gegensätzlichen Architekturanschauungen Mies van der Rohes und Scharouns. Dies und die Orientierung seiner Neubauten an den Maßen und der Gestaltung der St.-Matthäus-Kirche zeigen den Einfluss der Postmoderne, die die gegebene bauliche Situation in die Planung einfließen ließ. Erbittert kritisiert wurde Holleins postmodernistischer Manierismus. Er rief mit der viertelkreisförmigen Gestaltung des Kolonnadenplatzes die Erinnerung an Speers Runden Platz wach, ohne eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Tiergartenviertels zu wagen. Auch die an De Chirico erinnernde Bühnenhaftigkeit und Möblierung der Platzanlage wirkte auf diesem Baugrund ambivalent. Aufgrund anhaltender Kontroversen wurde das Konzept von Hollein nicht ausgeführt.