Planung und Wirklichkeit
„Das Kulturforum ist […] kein Unfall. Es leidet unter einer systematischen Geburtskrankheit, der gleichen wie beim Potsdamer Platz […] und dem Regierungsviertel am Reichstag […]. Die Krankheit ist das totalitäre Planen in Großkomplexen, ohne eine unterliegende parzelläre Struktur, die das, was hingesetzt wird, mit der übrigen Stadt verbinden und funktional auflockern könnte – ein Planen ohne kulturelle Mäßigungen, ohne Gedächtnis und ohne die minimalen Spielräume für Selbstorganisation. In der Tat ist es der Abriß der parzellären Bürgerviertel durch Speer, der dieser heutigen modernen Maßlosigkeit zugrunde liegt.“ (Dieter Hoffmann-Axthelm 1992)
Das Kulturforum beherbergt eine einmalige Ansammlung hochrangiger Institutionen der Musik, Kunst und Wissenschaft, ohne im tieferen Sinne zu ihrer Heimat geworden zu sein. Von der interdisziplinären Vernetzung der Häuser in der Forschung und im Ausstellungsbetrieb ist im Außenraum nichts spürbar – das Kulturforum ist ein Forum ohne Kulturbetrieb. Es gibt nichts Einladendes, Schönes oder Verführerisches, um die Besucher*innen zum Verweilen zu animieren. In den vergangenen 40 Jahren sollten stets Architektur und Stadtplanung die aus einer verfehlten Verkehrsplanung und monofunktionalen Nutzung erwachsenen strukturellen Probleme des Kulturforums lösen. Weder der postmoderne Manierismus Hans Holleins noch die neoliberale Agenda des Masterplans erwiesen sich als brauchbare Lösungen. Nun soll die städtebauliche Vollendung des Kulturforums mit dem Erweiterungsbau für die Nationalgalerie erreicht werden.
Das Museum des 20. Jahrhunderts
Im Oktober 2016 hat das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron den Wettbewerb zum Neubau des Museums des 20. Jahrhunderts gewonnen. Der Entwurf reagiert mit seiner Einfachheit auf die historischen Entwicklungslinien und verbindet das Ensemble autistischer Solitäre. Mit der archetypischen Hausform – vom Volksmund „Scheune“ getauft – soll ohne jegliche formale Rivalität eine Verbindung zwischen der Abstraktion von Mies und der organischen Architektur von Scharoun hergestellt werden. Die beiden zentralen Achsen im Inneren des Gebäudes sollen das Stadtquartier erschließen und verbinden. Die Architekten haben den Anspruch, das Kulturforum zu verändern und wieder zu einem Stück Stadt zu machen. Sie stehen für ein städtebauliches Konzept der Dichte und Nähe, mit Verbindungswegen und mit einer hohen Aufenthaltsqualität im gesamten Areal. Mit dem Erweiterungsbau für die Nationalgalerie soll die städtebauliche Vollendung des Kulturforums erreicht werden.
Partizipation und Erinnerung
Das Kulturforum ist nicht Berlin. Es bietet keine Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung. Das Kulturforum ist ein Viertel ohne Bürger*innen, die Entwicklungen anstoßen. Die Anrainer haben kein Mandat und keine Mittel, um sich um den Außenraum zu kümmern. Für die zuständigen Behörden ist das Kulturforum ein Viertel unter vielen, die ihrer Aufmerksamkeit bedürfen. Offenbar gingen die politischen Entscheidungsträger davon aus, dass sich der Standort auch ohne gastronomisches Angebot und ein koordinierendes Standortmanagement zu einem blühenden Kulturquartier mit Aufenthaltsqualität entwickeln würde. Die Unwirtlichkeit des Kulturforums liegt auch in der fehlenden Fürsorge für seine Besucher*innen begründet. Es muss endlich ein Quartier für Menschen werden. Es braucht die Versöhnung mit seiner verstörenden Geschichte. Die deutsche Katastrophe des 20. Jahrhunderts hat hier tiefe Spuren hinterlassen. Es ist Zeit für eine wissenschaftliche Aufarbeitung und eine angemessene Erinnerung.