Utopie Kulturforum

Wer es sich leisten konnte, zog aus der Stadt in Richtung Westen. Zur Einweihung der St. Matthäus-Kirche am 17. Mai 1846 stand sie noch vor den Toren der Stadt inmitten von Wiesen und Feldern. „Des lieben Gottes Sommervergnügen“ wurde die Kirche genannt: „Es war recht still um die kleine Kirche herum. Sie liegt ganz im Grünen. Vor dem Portal ist ein Rasenplatz, auf dem Kinder saßen und mit Kuhblumen spielten; in den Gärten sangen die Nachtigallen, hinter der Kirche hörte man Frösche und Unken.“ Mine Bardua, 16. Mai 1847

Ein paradiesischer Sehnsuchtsort – und zugleich königliche Repräsentanz: Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. persönlich hatte sich für den Bau verwendet–und der königliche Baumeister Friedrich August Stüler hatte sie gemäß der damaligen Italiensehnsucht nach italienischem Vorbild im neoromanischen Rundbogenstil geschaffen: Ein Stück Italien in Preußen. Die enge Verbindung von Thron und Altar prägte die Frömmigkeit der frühen St. Matthäus-Kirche: Ihr erster Pfarrer Carl Büchsel (1803–1889) war Seelsorger des Königs und stellte sich in den Turbulenzen der Märzrevolution 1848 auf seine Seite: „Das war mir ganz klar, daß der Aufruhr in Berlin darin seinen Grund hatte, daß von den Obrigkeiten der Stadt die kirchlichen Verhältnisse und die Pflege der Gottesfurcht in unbegreiflicher Weise vernachlässigt waren.“ Carl Büchsel, 1886

Die Vorstellung einer weitgehenden Einheit von Staat und Kirche gehörte zu den verbreiteten Sehnsuchtsbildern eines Protestantismus, der im sogenannten „Geheimratsviertel“ mit seinen hohen Staatsbeamten und einflussreichen Mäzenen, einen Resonanzboden fand.